Mittwoch, Jänner 31, 2007

Ab in die Mitte II

Unsicher wie gefährlich es ist, dein Unterfangen weiter fortzusetzen, lässt du dich auf einer der Treppenstufen nieder und blinzelst verängstigt im Kreis. Die Brille, die aufgrund der Hitze ohnehin schon einen Zustand der Dauerbeschlagenheit angenommen hat, verfärbt sich zusätzlich noch milchiger und nun bringt auch das Auf und Niederschlagen der Augenlider keinen nachweislichen Seherfolg mehr ein. Das Brummen hingegen, scheint sich nicht mit solchen Problemen herumschlagen zu müssen, denn es wächst und gedeiht gegenüber deiner voranschreitenden Sehbehinderung. Das einzige was bei dir zunimmt, bis auf deine Angst in eine brenzlige Situation zu geraten. Das Brummen wird tiefer, das Brummen kommt immer näher, das Brummen ist schon fast da. Und schließlich, du wischst bereits über die Gleitsichtgläser deiner Brille, wie die nervösen Gummiblätter über die Windschutzscheibe eines alten Golfs, steht das Brummen genau hinter dir.

Ob es wohl kurz vorbei könnte, fragt es dich höflich und schreitet auch schon weiter. Verliert wieder an Tiefe, Größe und schließlich auch an Gestalt. Und du denkst, schon lange nicht mehr ein solch höfliches Brummen gesehen zu haben. Wenn überhaupt schon jemals ein solch Liebenswertes dabei gewesen sein sollte. Es mag durchaus sein, dass das Brummen sogar ein wenig gezwinkert hat. Beschwören würdest du es nun zwar nicht mehr wollen, du bist aber generell eher ein Abschwörer, doch nun ja, es ist wie es ist. Nicht wahr?
Komisch nur, dass das Brummen so menschlich ausgesehen hat. Die Stiefel, der Spazierstock, irgendwie könntest du das Alles rechtfertigen. Aber die Schirmkappe, die gibt dir schwer zu denken. Noch dazu aus braunem Kord. Zeig mir ein wirklich ernstzunehmendes Brummen, sagst du ganz trocken zu dir selbst, dass bei einem Spaziergang zur Mitte der Erde eine Schirmkappe aus braunem Kord trägt. Betrübt stellst du fest, dass auch in diesem Bereich auf Erden einfach nichts so ist, wie es früher einmal war und verstehst zum ersten Mal deinen Vater. Deinen Vater, wenn er mit Predigerstimme lobt, wie die Zeiten waren und längst nicht mehr sind. Und wie er freudestrahlend erzählt wie schön es war, damals, zu Fuß zu marschieren, die nächsten zwanzig Kilometer zur Schule, und das bei einem Meter Neuschnee. Jeden Tag. Jetzt weißt du er hat Recht, und grübelst über den Schnee nach, den du selbst so gut wie nie zu Gesicht bekommst. Für soviel Neuschnee lohnt es sich ein Wagnis einzugehen. Wenn nicht für Schnee, für was denn dann, pflichtest du dir selbst bei und setzt deinen Weg fort. Erinnert an dein Vorhaben, das Rätsel des Klimawandels zu ergründen.

Immer noch ist links der Weg an dem zu rütteln es nicht gilt. Weil es nicht geht und weil es scheinbar nun mal so vorher bestimmt ist. Das Magma um dich herum nimmt noch wärmere Rottöne an, gibt auch etwas mehr Wärme ab, als zu Anfang deiner Reise. Du denkst, dass man Magma eben mag, aber dass du bis jetzt auch ganz gut ohne glühende Substanzen ausgekommen bist. Ausgenommen der glühenden Verehrung die du für deine Lehrerin in der zweiten Klasse der Volksschule Grinzing gehegt hattest. Frl. Fritzchen hieß die Gute und noch heute treibt dir ihr Bild im Kopf die Röte in die Wangen. Sie war die Frau deines Lebens, die Frau die man nur einmal trifft! Dann vielleicht täglich, außer Samstag und Sonntags, für vier Jahre, aber alleine, was bringt es, wenn man nicht älter las zehn ist, und Frl. Fritzchen verlobt mit dem stellvertretendem Leiter der Zentralsparkasse? Noch immer frustriert dich der Gedanke an diese traurige Phase deines Lebens. Du warst froh, die Volksschule endlich verlassen zu können und Größerem entgegen zu schreiten. Bliebst aber förmlich postwendend an Frl. Schmiedinger hängen. Der Musikprofessorin, die die Unterstufen deines Gymnasiums betreute. Eine schöne Frau, für wahr. Die Haare, zu einem strengen Knoten in Nacken gedreht, deuteten auf Spanischen Wind hin. Schwarz und glänzend wie die Nacht dunkel ist. Nur der Name rasselt etwas in den Ohren, wie Blechdosengeschepper hinter Hochzeitslimousinen. Aber mochten die anderen Jungs nur wählerisch sein, du konntest mit geschlossenen Augen ganz gut so tun, als ob Fr. Schmiedinger im wirklichen Leben Sig. Castagnella heiße und Zitronenpflückerin und Flamencotänzerin an der südlichen Agave sei. Tag und Nacht, Nacht und Tag_deine kleinen Bubenphantastereien hingen ihr am sinnlichen Mund. Doch auch sie war vergeben und versprochen. Zwar nicht dem Stierkämpfer Antonio, doch immerhin dem reichen Heurigenwirt Ferdinand Schober, den von der Angel zu lassen sie verständlicherweise nicht gewillt war.

Keine Kommentare: