Du durchwanderst ein Tor aus schwarzem Gestein und bewunderst noch die ursprüngliche Architektur. Da breitet er sich vor dir aus und nimmt dir fast dir Luft zum Atmen. Ein riesiger See aus glimmender Flüssigkeit, hier und da brodelnd und ein schmaler Grat der direkt in dessen Mitte zu führen scheint. Unbekümmert gehst du weiter und befindest dich bald auf dieser winzigen Plattform, mitten im Leben. Es erstaunt dich nicht wenig hier ein solches Objekt zu sehen. Eisen in den Stein gegossen. Unerschütterlich verwurzelt, den Jahren und Jahrzehnten trotzend die kantige Form entgegenreckend. Das letzte Mal, dass du solch ein Ding benutztest, liegt weit zurück. Es war in der Volksschule, eine Exkursion auf den Kahlenberg, wo man solche Ferngläser mit glitzernden Münzen füttern musste, um sich ihre Dienste zu sichern. Wer hätte es gedacht, sogar im spirituellen Brennpunkt herrscht Profitgier vor. Besorgt, denn all dein Kleingeklimper liegt mehrere Etagen höher, in der rückwärtigen Hosentasche deiner Jeans, nimmst du die Touristenattraktion näher unter die Lupe. Nein, sieh mal an, die Götter der Unterwelt erweisen sich gnädiger, als gedacht. Der erste Blick durch das magische Kaleidoskop ist kostenlos. Hoffentlich nicht umsonst. Jetzt musst du dich doch für einen Moment setzten.
Spekulierst, was wird dich wohl erwarten? Was ist der Sinn des Lebens, wen oder was wirst du am anderen Ende der Röhre sehen? Gott? Einen Auftrag? Deine Zukunft? Der Mut verlässt dich, obwohl die Neugierde nicht abnimmt. Allein, will man wirklich wissen, was im Leben auf einen zukommt. Möchte man das erfahren, was sonst keiner weiß? Sich heraus heben aus der breiten Masse? Um den Preis, dann noch einsamer zu stehen, als zu Beginn der Reise? Du überlegst!
Hinter dir nimmt die Geräuschkulisse zu und du wendest den Kopf. Überrascht, aber dann doch nicht wirklich, sie Alle hier vereint zu sehen. Das Brummen, das Johlen, das Fiepen. Senior, Teenager und Junior! Ein flottes Gespann. Sie wollen dir etwas sagen, rufen und raunen dir etwas hinter die Ohren. Nur zu, nur zu! Nun trau dich doch! Und obwohl du deine Brille abgelegt hast siehst du endlich klar. Siehst den winzigen Teil von dir, in ihnen. Die Zeit vergeht und wird nicht still stehen, auch nicht für dich. Also nutzt du sie und rappelst dich erneut auf.
Zwei Schritte vor dir die Antwort auf all deine Fragen. Und mit neuem Mut gehst du voran und wagst den Blick, gefasst alles zu sehen, was auch immer es sein mag. Genug Versteck gespielt, genug gesucht, du bist bereit zu finden. Und was erblicken deine wandermüden Augen nun endlich.
Niemand anderen als dich selbst, in winziger, spiegelverkehrter Pose. Da lacht der kleine Spiegel-Karl-Werner und hebt erfreut die Hand zum Gruß. Zwinkernd winkt er dir zu und formt den Mund zu Worten die du mehr fühlst, als hörst. Gut gemacht!
Mittwoch, Februar 07, 2007
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